Aus aktuellem Anlass möchte ich gerne zu einem Thema Stellung nehmen, das in dieser coronaren Zeit gerade mich als Kulturschaffenden sehr stark umtreibt: Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Anwärter auf den CDU-Vorsitz sprach in einer Pressekonferenz von einem direkten Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Kultur, wobei er die Maßnahmen, die den Kulturbereich einschränken unter anderem mit der Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens begründet.
Ich möchte überhaupt nicht konkret auf den Kulturbegriff eingehen, den Herr Laschet in diesem Zusammenhang verwendet – er wird recht klar mit dem Wort Freizeitgestaltung umrissen – sondern den größeren Kontext betrachten, der mir auch schon vorher (auch schon vor Corona) häufiger Begegnet ist.
Auf den Kulturbereich wurde, gerade in letzter Zeit, häufig das Wort „Systemrelevanz“ angewendet und es wurde immer konstatiert, dass die Kultur nicht relevant für das System sei. Dies stimmt unter genau einer Voraussetzung: Wenn das System, für dessen Relevanz bewertet wird, auf dem Bruttoinlandsprodukt basiert. In dem Fall kann man sagen, dass der Beitrag des Kultursektors wohl eher gering ausfällt, was Wertschöpfung im marktwirtschaftlichen Sinn darstellt. In diesem Sinne ist eben auch alles, was im sozialen Bereich anfällt, die Pflege alter Menschen zum Beispiel, nicht systemrelevant, geht es ja auch hier nicht um einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt, sondern um die Versorgung von Menschen, die keinen finanziellen Beitrag mehr zum Gemeinschaft leisten. So erklärt sich auch die lausige Bezahlung derjenigen, die in diesen Berufen arbeiten.
Wir sind dazu übergegangen die Nützlichkeit in Geld zu messen, nach der Devise: Was nichts nützt bringt auch kein Geld. Insofern lässt sich auch Laschets Gleichsetzung des Kulturwesens mit Freizeitgestaltung zustimmen: Das Publikum geht in der Regel außerhalb seiner Arbeitszeit ins Theater. Nehmen wir einmal den bezahlten Kritiker einer Zeitung aus könnte man sagen, dass alle die im Auditorium sitzen gerade keiner Lohnarbeit nachgehen. Das diejenigen auf- und hinter der Bühne arbeiten ist wirtschaftlich vernachlässigbar.
Es dürfte klar sein, dass ich mit dieser Definition des Systems meine Probleme habe: Sie reduziert den Menschen und seinen Wert für die Gesellschaft auf einen rein wirtschaftlichen Faktor. In einem solchen System möchte ich gar nicht relevant sein. Ich denke: Kultur, ob es nun in der bildenden, der darstellenden oder sonst irgendeiner Form sein mag, hat schon alleine die Aufgabe das, was sie umgibt zu illustrieren, zu kommentieren, zu kritisieren und aufzubereiten. Wenn sie unterhält – gerne, aber das ist nicht ihre alleinige Daseinsberechtigung. Sie übernimmt zunehmend auch die Aufgabe einen Perspektivwechsel auf ein Phänomen zu erlauben. Das wäre in jedem System, das ich für sinnvoll halte relevant.